Treffen sich zwei Beamte auf dem Büroflur. Sagt der eine zum anderen: "Na, kannst du auch nicht einschlafen?" Höhö…
Beamte kriegen für ihre vermeintliche Faulheit einiges ab. Aber erledigen Ämter ihre Aufgaben wirklich nur im Schneckentempo? Wird dort wirklich so spärlich gearbeitet? Wir fahren zum
Bauaufsichtsamt nach Grimma und sehen nach, was dran ist, an den alten Klischees.
Um auf Nummer sicher zu gehen, fahren wir sogar schon morgens um 7 Uhr los - Vielleicht können wir so einige noch schlafende Beamte überraschen. Kurz vor 9 Uhr kommen wir in den mintgrünen Fluren des Bauaufsichtsamts an. Uns begrüßt, voller guter Laune und mit einem Kaffee auf dem Schreibtisch, Patrick Puhl, der 30-jährige Leiter des Bauaufsichtsamts. Heiter und munter führt er uns in sein Büro. Die einzigen, die hier verpennt aussehen, sind wir.
Herr Puhl, für uns Patrick, hat seinen Master in Architektur in Leipzig gemacht. Seit rund einem halben Jahr leitet er das Bauaufsichtsamt in Grimma, das dem Landratsamt Landkreis Leipzig zugeordnet ist. Dabei hat er sich bewusst gegen die freie Wirtschaft und für die „andere Seite“, also die Verwaltung entschieden. Auf die Tätigkeit im Bauaufsichtsamt hat er sich durch ein Referendariat vorbereitet. Ein unüblicher Werdegang und eine Win-Win-Situation für Patrick und das Amt, denn junge, gut ausgebildete Kräfte wie er sind heiß begehrt.
Während Patrick uns einige Details zu seiner beruflichen Laufbahn erklärt, plötzlich der Schock – Er ist gar kein Beamter! Ist er vielleicht deswegen noch so frisch und motiviert? Wir erfahren zudem, dass es die letzten Jahre gar nicht mehr unbedingt üblich war, die Mitarbeiter der Ämter zu verbeamten. Allerdings glaubt Patrick auch wieder einen gegenläufigen Trend zu erkennen. Denn wer verbeamtet wird, der hat berufliche Sicherheit, und Jobs mit Sicherheit sind attraktiv für Azubis, Absolventen und Fachkräfte.
„Als ich jung war, war das ein altbackener Begriff mit staubigen Akten und langsamem Beamtentum“ erinnert sich Patrick. Mittlerweile hat man das neu gedacht, es gibt viele Fachbereiche und
Möglichkeiten sich zu verwirklichen. Der Oberbegriff ist immer noch Verwaltung, aber die Amtsarbeit findet nicht nur am Schreibtisch statt, sondern an Gebäuden, im sozialen Bereich oder beim
Veterinäramt mit Tieren. Das bedeutet für Patrick, dass er auch vor Ort sein und Grundstücke begehen muss. Er prüft nicht nur Anträge, sondern auch Baustellen und in seltenen Fällen klingelt auch
mal nach Feierabend das Notfallhandy. “Es gab ein verlassenes Haus, das zusammengestürzt ist. Zum Glück kam niemand zu schaden”, erinnert sich Patrick, dort musste er dann schnellstmöglich auf
Sicherheitsmaßnahmen prüfen.
Als auszubildender Verwaltungsfachangestellter durchläuft man zahlreiche dieser Bereiche, so etwas gibt es in der freien Wirtschaft kaum. Auszubildende werden in den verschiedenen Abteilungen des Landratsamts umfassend auf Verwaltungsaufgaben vorbereitet. Dabei gibt es zwar einen festen Lehrplan, dennoch steht es den Auszubildenden frei sich ihren Interessen entsprechend zu entwickeln. Wie überall im Leben gibt es auch hier Menschen, die geeigneter für die Arbeit mit Menschen oder aber auch technische Aufgaben sind. Außerdem bietet das Landratsamt attraktive Konditionen. Auszubildende werden bereits im ersten Lehrjahr mit vierstelligen Beträgen entlohnt. Außerdem winken langfristig viele weitere Benefits wie das moderne Arbeiten in Gleitzeit, das besonders für junge Familien wichtig sein kann.
Als perfekten Bewerber oder Kollegen beschreibt Patrick jemanden, der offen und unvoreingenommen ist und den Willen mitbringt, in der Verwaltung zu arbeiten. Dazu gehört auch Zuversicht, dass der
Job richtig Spaß machen kann. „Wer Interesse und Leidenschaft für das entwickelt, bringt auch 110% Leistung.“ Und so entstehe auch der Spaß an der Arbeit. Jemand, der Leidenschaft mitbringt,
läuft nämlich auch keine Gefahr den alten Beamtenklischees zu erliegen.
Sicherheitshalber fragen wir aber trotzdem nochmal nach. Gibt es noch die alten Dinosaurier, die ihre Posten besetzen und gemächlich in den Ruhestand ausschleichen? „Ja, die wird es gewiss noch
irgendwo geben, aber das Bild hat sich gewaltig gedreht und im Bauaufsichtsamt kenne ich auch keinen.“ Patrick führt das auf den Generationswechsel und insbesondere im Osten auf den Mauerfall
zurück, der liegt nun 30 Jahre zurück. Aktuell kommen neue Leute, junge Leute, auch aus der Wirtschaft, die andere Gedanken und Energie mitbringen. Zudem ist es so, dass die Verwaltung im
Bauaufsichtsamt aktuell wegen des Baubooms stark ausgelastet ist, da kommt kein gemütliches Beamtentum auf, so Patrick.
Patrick sagt Dinge wie „Ich habe hier in Leipzig studiert.“ Wir wundern uns, denn eigentlich sind wir ja gar nicht in Leipzig, sondern in Grimma. Das ist aber gar nicht so wichtig, denn es geht um die gefühlte Nähe. „Ich war neulich im Erzgebirge, das ist für mich wirklich ländlich. Hier, im Landkreis Leipzig, ist es immer noch ein verkettetes System von Dörfern und kleinen Städten. In 30 Minuten bin ich in Leipzig.“ Ein großer Faktor dabei ist die flexible Anbindung durch ÖPNV und die Autobahn. „Leipzig wirkt sich dermaßen auf die Umgebung aus, dass das heute gar keine Distanz mehr ist.“ Fachkräften und Unternehmen wird so, vorbeizuschauen lohnt sich.
Unser Termin beim Bauaufsichtsamt in Grimma geht langsam zu Ende. Patrick hat mit so ziemlich jedem Beamtenklischee gebrochen, das wir kannten. Er ist ein junger, motivierter Absolvent, der für den und mit dem Landkreis arbeiten möchte. Man könnte nun einwerfen, dass er ja eigentlich gar kein richtiger Beamte ist, aber vielleicht steht er gerade deshalb als Sinnbild für den voranschreitenden Wandel. „Jung sein ist ein Vor- und ein Nachteil. Man ist eben flexibler, dynamischer, unbelasteter. Mir ist aber auch klar, dass es noch viele Jahre dauern wird, bis ich die Expertise aufweisen kann, die ein älterer Kollege durch seine lange Berufserfahrung hat“, fügt er bescheiden hinzu. Fakt ist aber, dass Menschen wie er ein Gewinn für den Landkreis Leipzig sind.
Beitrag von Steffen Wrede