Unser Interview beim Jugendamt fand an einem sonnig-windigen Morgen in Grimma statt. Mit Sicherheit war es nicht nur der Kaffee, der uns so schnell wach und aufmerksam machte, einen viel größeren Teil trug Annette Vetten dazu bei, die Leiterin des Jugendamtes. Mit Frische, Tatendrang und einem großen Lächeln im Gesicht nahm sie uns freundlich in ihrem Büro in Empfang und hatte uns vieles zu erzählen über die Aufgaben und Projekte des Jugendamtes sowie die Arbeit als Sozialarbeiter*in.
Jugendamt – der Begriff ist uns nicht neu, aber welche Aufgaben dazu zählen, wissen wir selbst nicht so genau. Deswegen haben wir ganz einfach nachgehakt: Das Jugendamt unterstützt Familien in jeglichen Angelegenheiten und hilft in erster Linie denen, die sich noch nicht selbst helfen können - es fängt also bei den Kleinsten von uns an.
Deswegen wird ein Großteil der Arbeit von Sozialarbeiter*innen abgedeckt, der größte Pflichtbereich ist der Allgemeine Soziale Dienst (ASD). Dieser arbeitet eng mit den Familien zusammen und ist sowas wie die Exekutive des Jugendamtes. Bei Notfällen, wie zum Beispiel einer Kindeswohlgefährdung, muss der ASD schnell handeln. Aber auch Beratung, Problembewältigung und Hilfeplangespräche gehören zum „Alltag“. Außerdem werden Sozialarbeiter*innen im Kinderpflegedienst (PKD), der Adoptionsvermittlung und der Jugendhilfe im Strafverfahren eingesetzt.
Zu den freiwilligen Aufgaben zählt vor allem die Sozialraumkoordination, die Projekte, Jugendclubs und Präventionsarbeit in den Kommunen verwirklicht. Und der horrend aufkommende Papierkram muss schließlich auch noch von Verwaltungsfachkräften und Anwält*innen gemeistert werden.
Annette Vetten bedauert vor allem, dass das Jugendamt bei manchen Bürger*innen einen so schlechten Ruf hat, und die Betitelung als „Kinderklaubehörde“. Denn beim Jugendamt wird immer mit dem Ziel gearbeitet, Kinder in Familien zu lassen. Nur in Notfällen sind Entnahmen zum Kindeswohl nötig, schließlich steht dieses an oberster Stelle. Darüber hinaus nimmt das Jugendamt eine äußerst wichtige Rolle für die Gesellschaft und den Landkreis ein: Es müssen Bedarfe ermittelt und die passenden Hilfsangebote gefunden werden – hier heißt es Miteinander! Egal ob in den Teams, Familien oder Kommunen.
Dafür braucht es aber auch die richtigen Fachkräfte. „Jugendarbeit und Jugendhilfe lebt von Visionen.“ Annette Vetten wünscht sich engagierte, motivierte und ideenreiche Sozialarbeiter*innen. Und die werden dringend gebraucht. Das Jugendamt des Landkreis Leipzig lockt mit viel Spaß, einem tollen Team und großartiger Unterstützung.
In Zusammenarbeit mit dem Landratsamt ist eine Art duales Studium der Sozialen Arbeit im Jugendamt geplant, so können Studierende an der Uni ihre Kurse belegen und die praktischen Erfahrungen im Hause von Annette Vetten sammeln. Dadurch lernen die Studis das ganze Spektrum kennen und können letztlich selbst entscheiden, wo sie langfristig arbeiten wollen. Und sie wissen auch gleich, was auf sie zukommt.
Annette Vetten kann aus Erfahrung sprechen, dass viele Studienabgänger*innen zunächst überwältigt sind von der Arbeit. Sie möchte nichts beschönigen, im Jugendamt muss auch viel Elend, trauriges Schicksal und Stress verkraftet werden, dazu braucht es emotional starke und robuste Miterarbeiter*innen. Es ist vor allem auch wichtig zu lernen, die Arbeit nicht immer mit nach Hause zu nehmen.
Allerdings wird hier niemand allein gelassen, erfahrene Kolleg*innen unterstützen den jüngeren Zuwachs und regelmäßige Seminare, Supervisionen und Fortbildungen verhelfen zu mehr Sicherheit im Job. Zusammenhalt wird im Jugendamt groß geschrieben, hier ist niemand Einzelkämpfer*in. Auch das freundschaftliche Miteinander im Kollegium betont Annette Vetten mit großer Zufriedenheit.
Zudem gibt der Beruf einem oft das Gefühl, das Richtige zu tun. Frau Vetten erzählt uns gerührt und stolz von einem Mädchen, dessen Vormund sie selbst vor Jahren war. Dieses Mädchen, das sich in ihrer Jugend selbst oft durchkämpfen musste und vom Jugendamt unterstützt wurde, studiert heute soziale Arbeit und möchte die Hilfe zurückgegeben, die sie erhielt. Derartige Erfolgsstorys sind das kleine Glück der sozialen Arbeit. Der Job kann also auch richtig viel Spaß und Freude bringen! Vor allem dann, wenn die Hilfe Früchte trägt: Kinder können in Familien zurückkehren oder junge Personen, die man selbst betreut hat, laden Jahre später zur Hochzeit ein. Derartige Ereignisse zeigen vor allem auch das vertraute Verhältnis und die persönliche Arbeit.
Im Jugendamt ist es zudem möglich neben dem Pflichtbereich, auch freiwillige Angebote zu entwickeln. Diese sind kommunal angelegt, Bedarfe müssen ermittelt und die entsprechende Hilfe umgesetzt werden. Dabei soll kein Ort vernachlässigt bleiben. So wurden schon viele spannende Projekte ins Leben gerufen, wie der Revolution-Train, eine Präventionsmaßnahme gegen Drogenmissbrauch von Jugendlichen und Eltern. Auch das Projekt Demokratie Leben scheint eine Herzensangelegenheit Annette Vettens zu sein. Dieses Projekt setzt sich dafür ein, Jugendliche für Demokratie und unser Grundgesetz zu gewinnen und sie nicht an eine rechte Gesinnung zu verlieren. Vor allem in Bezug auf den Landkreis und den Osten allgemein erscheint ihr dies sehr wichtig: „Unser Ziel kann es nicht sein, dass der Landkreis irgendwann mal dasteht und gesagt wird: das ist ein rechtsextremer Landkreis. Da wäre ich sehr traurig. Denn das sind wir nicht!“ Annette Vetten fühlt sich wohl im Landkreis und wünscht sich dies auch für ihre geflüchteten Schützlinge. Prävention in verschiedenen Problemgebieten zählt folglich auch zu den wichtigen Aufgaben des Jugendamtes.
Dank Annette Vetten sind wir nun deutlich klüger als vorher, zumindest was die Aufgabenvielfalt und Wichtigkeit des Jugendamtes betrifft. Eins wurde klar: die kommissarische Leiterin liebt ihren Beruf und hofft sehr auf massiven, kollegialen Nachwuchs im Hause. Dabei darf auch gerne das Geschlechterverhältnis weiterhin angepasst werden. Also liebe Männer* - go for it!
Interview und Text: Laura Klar