Sebastian Mahler ist nicht der Landwirt wie er im Buche steht. Kein dicker Bauch, keine grüne Latzhose, keine Gummistiefel an den Füßen und auch keine Mistgabel in der Hand.
Der Ausbilder der Agrarproduktion ELSTERAUE ist ein junger Mann, zwar mit rauer Schale, aber auch mit jeder Menge Tatendrang, Passion für die Landwirtschaft und einem Händedruck der einem die Kokosnüsse knacken könnte.
Genauso wenig wie Sebastian Mahler, entspricht Kristin Heinichen dem vermeintlichen Paradebeispiel der Bäuerin. Die kompetente zierliche Frau hat seit 2016 im Betrieb Agrarproduktion ELSTERAUE die Hosen an.
Der landwirtschaftliche Betrieb Agrarproduktion ELSTERAUE in Zwenkau entstand aus vier ehemaligen Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG) der DDR. Aus den LPG Markkleeberg, Zwenkau, Audigast und Peres.
Nach der deutschen Wiedervereinigung 1989 wurden die vier LPG im Jahr darauf zur Agrarproduktion ELSTERAUE GmbH & Co KG mit über 400 Mitarbeiter*innen zusammengeschlossen. Mit dieser Fusion und der Veränderung der Marktposition nach dem Ende der DDR, stellte der Betrieb seine Produktion um. Weg vom Gemüseanbau und hin zu Getreide, Ölfrucht und Zuckerrüben. Heute werden auf den Feldern im Süden des Landkreises vielfältige Nutzpflanzen angebaut, in erster Linie Winterweizen, Wintergerste, Sommergerste, Zuckerrüben, Ackerbohnen, Raps, Körner- und Silomais. Hinzu kommt die Tierwirtschaft mit 5000 Schweinen.
Darum ist Ausbilder Sebastian Mahler angesichts zwei junger Interviewerinnen, von denen eine Vegetarierin ist, vorbereitet. Vorbereitet, sich und seine Arbeit zu verteidigen. Es wäre nicht das erste Mal, dass er seine Lebensgrundlage rechtfertigen muss. Tierschutz, artgerechte Haltung, Tierquälerei- wichtige Themen.
Sebastian Mahler ist mit der Landwirtschaft aufgewachsen und er liebt sie. Darum hat für ihn die artgerechte Haltung und Versorgung der Tiere höchste Priorität. Er übt in der Debatte um den Fleischverzehr seine eigene Kritik: “Den Menschen fehlt der Bezug zu ihren Lebensmitteln. Wenn wir das Endprodukt im Laden abgepackt liegen sehen, fehlt der Bezug. Wer weiß schon, wie eine Knackwurst entsteht?” Dabei sei das Wissen um die Herkunft der Lebensmittel so wichtig, findet der mehrfache Vater, um respektvoll und achtsam mit ihnen umzugehen. Darum fängt er bei sich selbst und seiner Familie an. Seinen Kindern erklärt er genau, woher ihr Essen stammt und wie es auf ihren Teller gelangt. Mit diesem Wissen falle es ihnen schwer, von dem Essen etwas wegzuwerfen.
Zu Hause bringt Sebastian Mahler seinen Töchtern bei, dass vom Essen nichts weggeworfen wird. Im Betrieb Agrarproduktion ELSTERAUE bringt er den Auszubildenden bei, dass zur Landwirtschaft mehr gehört als auf großen Maschinen in den Sonnenuntergang zu fahren. Die riesen Technik sei nur das Salz in der Suppe und zu einer wirklich guten Suppe gehört weit mehr. “Wie zum Beispiel in der Schweinemast die Buchten zu reinigen, was monoton sein kann, aber dennoch sehr gewissenhaft ausgeführt werden muss, schließlich geht es dabei um die Gesundheit unserer Schweine. Auch die Aufbereitung von Saatgut oder einfach mal den Hof zu kehren- die ganzen Arbeiten die nebenbei passieren.”
Um den Bewerber:innen einen realistischen Vorgeschmack auf die vollmundige Suppe der Landwirtschaft zu geben, absolvieren potenzielle Auszubildende erst ein Praktikum.
Wer Biss, Gewissenhaftigkeit und Genauigkeit unter Beweis stellen konnte und Appetit auf mehr hat, für den oder die startet die Ausbildung mit einem halben Jahr Probezeit.
Während der drei Jahre Lehre erwartet die Auszubildenden eine umfassende Ausbildung zum Landwirt und “das hört bei uns nicht an der Hoftür auf! Lehrlinge lernen erst einmal die Grundlagen des hiesigen Betriebs, sprich die Schweinemast und Pflanzenproduktion. Aber sie werden auch in unseren Kooperationsbetrieben ausgebildet.” Dazu gehöre die klassische Milchproduktion aber auch außergewöhnliche Produktionen wie der Rhabarberanbau für die regionale Lipz Limonade, Wels-Produktionen oder auch der ökologische Landbau. Insgesamt sieben (Stand 09/2019) (in der Regel Misch-) Betriebe gehören zum Ausbildungsverbund, durch den es den Auszubildenden ermöglicht wird, über den Tellerrand des eigenen Ausbildungsbetriebs zu schauen. Zwischen diesen sechs Betrieben rotieren die Lehrlinge und werden dadurch noch umfänglicher ausgebildet. Denn sie lernen in den anderen Betrieben das, was der jeweils eigene Ausbildungsbetrieb nicht anbieten kann, Von seinen Lehrlingen erwartet Ausbilder Mahler eine stets kritische Haltung gegenüber jedem Produktionsabschnitt. Denn nur durch eine kritische Fragestellung kommen die Produktionstechniken auch in Zukunft voran. Mahler erwartet Biss, “Biss, all das Wissen aufzusaugen wie ein Schwamm, zu sämtlichen Produktionszweigen, die ich schaffe ihnen beizubringen.”
Den krönenden Abschluss findet die Ausbildung dann in ihrer theoretischen und praktischen Prüfung. “Für diejenigen die wir dann halten können, sind wir dankbar. Aber der Großteil der Lehrlinge sagt, ‘das alleine reicht mir nicht’. Die wenigsten lassen sich binden, sie wollen die Welt sehen. Was auch gut ist!”, aber der Fachkräftemangel ist auch in der Landwirtschaft nicht von der Hand zu weisen. “Die Zeiten in denen wir stapelweise Bewerbungen bekommen ist vorbei. Die Landwirtschaft hat dazu nicht den besten Ruf. Wir haben auch nicht die überzeugendsten Argumente, im Vergleich zu großen Konzernen. Wir können keine tollen Tarife zahlen. Wir können wirklich nur mit der Leidenschaft für die Landwirtschaft punkten.”
Es muss nicht immer alles neu gekauft werden. Im Betrieb profitiert der Nachwuchs von den wertvollen Erfahrungen, die über Jahrzehnte gesammelt wurden - bei der Agrarproduktion ELSTERAUE arbeiten alle Generationen zusammen.
Fleischproduktion, Fachkräftemangel, Klima: in die Aufzählung der für die Landwirtschaft schwierigen Themen schwierigen Themen der Landwirtschaft gehören auch die Begriffe Digitalisierung und Generationswechsel.
Kristin Heinichen ist die Handlungsbevollmächtigte der Agrarproduktion ELSTERAUE. Sie macht klar, in Sachen Digitalisierung ist nicht die Ersetzbarkeit von Arbeitskräften das Ziel, vielmehr sei die Digitalisierung in Form von GPS, Aktiv-Sensoren, P3-Sensoren (Pflanzenschutzsensoren für den ziel- und bedarfsgenauen Pflanzenschutz), ein Beitrag für mehr Effektivität. Ersetzbar sei am Ende jeder, aber der Mensch als Kontrollinstanz dürfe dennoch niemals ausscheiden, darin sind sich Mahler und Heinichen einig, denn “die Technik ist schön, solange sie funktioniert. Aber allein die Maschine reicht nicht aus, wenn sie keiner bedienen kann.”
Kristin Heinichen ist sich bei ihrer zukunftsorientierten Einstellung, auch deren Auswirkungen auf ihre ältere Belegschaft bewusst. Sie kennt die Skepsis vor dem Neuen und Einstellungen wie, “das haben wir bis dato immer so gemacht.” Aber sie ist der Überzeugung, “man wächst mit seinen Aufgaben” und wirkt Berührungsängsten älterer Kollegen mit Weiterbildungen und Training erfolgreich entgegen. Neben Fortschritt und Digitalisierung wird im Betrieb nach wie vor großer Wert auf die Erfahrung und das Wissen älterer Mitarbeiter:innen gelegt.
Denn, auch darin sind sich Heinichen und Mahler einig, “nicht alles muss neu gekauft werden.” Die Improvisationskunst und das ressourcensparende Arbeiten mit alten Kniffen, insbesondere an den Maschinen, schaffen Werte im Betrieb. “Ideen die vor 40 Jahren funktioniert haben, gelten heute immer noch. Das bringt uns als Betrieb ein ganzes Stück voran”, erklärt Ausbilder Mahler nicht ohne einen Anflug von Stolz.
Denn, auch darin sind sich Heinichen und Mahler einig, “nicht alles muss neu gekauft werden.” Die Improvisationskunst und das ressourcensparende Arbeiten mit alten Kniffen, insbesondere an den Maschinen, schaffen Werte im Betrieb. “Ideen die vor 40 Jahren funktioniert haben, gelten heute immer noch. Das bringt uns als Betrieb ein ganzes Stück voran”, erklärt Ausbilder Mahler nicht ohne einen Anflug von Stolz.
Für die Zukunft des Betriebes wünschen sich Mahler und Heinichen, dass es weiter vorangeht, dass der Landkreis weiter um und für die Fachkräfte kämpft, denn “Stillstand ist der Tod, da hatte Grönemeyer schon recht…”, ergänzt Mahler schmunzelnd.
Beitrag von Christin Pomplitz